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Diese Frage in einer Anzeige eines italienischen Möbellherstellers greift nicht etwa Murrays Schafers Forderung nach einem Museum der Klänge auf, sondern begleitet die Werbung für ein neues Sofa. Akustische Bezüge sind in den vergangenen Jahren häufig geworden in der Werbung: Produkte tragen Namen, die der Akustik entlehnt sind. "Das gepriesene optische Zeitalter geht seinem Ende entgegen. Von daher hat sich eine geheime Prävalenz des Hörens ergeben, auf die kaum jemand vorbereitet ist", sagt Dietmar Kamper. 68 Prozent der Geräusche, die uns umgeben, werden heute technisch erzeugt, nur 6 Prozent entstammen der Natur, immerhin 26 Prozent verursacht der Mensch.  In sogenannten “primitiven Kulturen” verhält es ziemlich genau umgekehrt. Die Hörfähigkeit junger walkman- und diskothekenerprobter Europäer entspricht in etwa der von 70jährigen Afrikanern.

Der Fortschritt der Zivilisation ist mit einer Zunahme von Geräuschen verbunden. Technischer Fortschritt aber soll dem Menschen sinnvoll dienen, sein Leben angenehmer machen. Die meisten Geräusche sind heute jedoch lauter, als es nach dem Stand der Technik nötig wäre. Die Gestaltung ihrer Funktion, ihrer Form und Farbe, ihrer Oberfläche wird größte Sorgfalt gewidmet, ihren Geräuschquellen hingegen meist wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Zeit, die sich so bewußt mit der visuellen Gestaltung befaßt, kann Klang nicht einfach als Beiwerk eines Produktes behandeln. Wie visuelle Signale dient auch der Klang unserer Orientierung. Die Forderung liegt nahe, zu einer Gleichgewichtung von Form und Klang aufzufordern.

Klang ist ein Teil der Ästhetik unseres Lebens. Stille, oft als Ideal gepriesen, ist keine Alternative. Pascal nennt die absolute Stille unmenschlich und erschreckend.  John Cage hat bestritten, daß es sie gibt. Klang ist nicht nur ein akustisches Phänomen. Er ist auch symbolisch.  Ein Klang kann zu einem Objekt gehören, und wenn er erzeugt wird, signalisiert er das Leben dieses Objektes.

Verschiedene Fachartikel und Tagungen zeigen, wie sehr der Klang der Dinge in das Bewußtsein der Benutzer, aber auch in das der erzeugenden Industrie rückt.  "Zunehmend wird die akustische Qualität eines Produkts ebenso über den Verkaufserfolg entscheiden wie die Funktionalität und äußere Gestaltung", sagt Alfons Zeller, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr. Christian Ude, Bürgermeister in München, spricht von einer identischen Interessenslage der Automobilindustrie, die sich um leisere Fahrzeuge bemüht, und der Großstädte, die nicht nur unter den Abgasen, sondern auch unter dem Lärm des Automobils leiden. "Daß das Auto leiser wird, ist als ökologisches Anliegen fast genauso wichtig, wie, daß es schadstoffärmer wird", stellt Ude fest. Wie intensiv - und das mit meßbarem Erfolg - die Automobilindustrie an der Reduzierung von Lärm und der Verbesserung des Klangs arbeitet, davon zeugen aufwendige Meß- und Prüfeinrichtungen, die sich ausschließlich mit diesem Thema befassen.

Daß die Signalkraft des Klanges wörtlich zu nehmen ist, bestätigte Erwin Staudts Berichte von der geräuschlosen Schreibmaschine IBM 6750, der das Unternehmen sogar wieder Töne beibringen mußte; zu sehr wurde der vertraute "Klick" vermißt. Wir schieben unsere Rolle als Lärmerzeuger gern beiseite und sehen uns durchwegs als Opfer des Lärms. Ziel der kommenden Jahre muß es sein, Industrie und Öffentlichkeit hellhörig zu machen für den Klang in unserem Alltag, die Qualitätsverbesserung von Klangquellen und den sinnvollen Umgang mit Geräuschen.

Die gute Form hat den guten Ton noch nicht entdeckt. Es ist an der Zeit, gegen akustische Umweltverschmutzung vorzugehen. In diesem Zusammenhang sei zu Recht vor einer klanglich total durchstilisierten Welt gewarnt, vielmehr empfiehlt sich als Regel, Unnötiges zu vermeiden und das Nötige gut zu gestalten.

So gilt für den Klang am Ende dasselbe wie für die Form.

 

 

Was werden wir in 1000 Jahren hören?